18. April 2012

Grass trommelt – und trommelt – und trommelt

von Günter David

Was hat der Grass bloß gemacht? Angewidert wenden sich Gutmenschen ab. Viele haben das Gedicht (ist es überhaupt eins?) nur überflogen oder gar nicht gelesen. Ich tat es wieder und immer wieder.

Mehr Fragen als Antworten.

Bin ich Antisemit, wenn ich Angst vor einem israelischen Erstschlag gegen den Iran habe?

Bin ich intolerant, wenn mich Fundamentalismus abstößt – und beginnt der nicht schon auf unseren Fußballplätzen, die immer mehr zu Hochsicherheitsregionen werden oder unterklassig zu rechtsfreien Zonen?

Bin ich ein Vaterlandsverräter, wenn ich dieses Deutschland nicht verstehe, weil es immer wieder für gutes Geld, das es oft genug vorher selbst dorthin transferiert hatte, Waffensysteme in Krisenregionen verkauft?

Bin ich ein Antidemokrat, wenn ich Gewählte quer durch alle Parteien und Ebenen zunehmend charakterlos, unkundig, beratungsresistent und beleidigt erlebe und zuweilen Instrumente der Macht (man nennt es Demokratie) nutzen, um jene abzustrafen, die sie darauf hinweisen?

Übrigens: wo sind die Massenvernichtungswaffen, die Sadam Hussein erst die Macht und dann das Leben kosteten?

Und ich frage mich weiter.

Bin ich ein Feind Israels und der Juden, wenn ich trotz Shoa die Geschichte der Region sehe, die auch einmal Palästina, Kanaan, Eretz Israel oder Terra Sancta hieß?

Soll ich Partei für Israel ergreifen, weil es einen Tag nach der Staatsgründung von arabischen Ländern angegriffen wurde? Weiß ich genug darüber? Haben die Briten nicht allzu bereitwillig damals ihr Mandat über Palästina aufgegeben? Gibt es nicht zu viele Seiten der Geschichte, die immer nur mit geschwärzten Zeilen veröffentlicht werden? Wer schwärzt diese Zeilen?

Kann man Israel mehr Sympathie als seinen arabischen Nachbarn erweisen, weil es das einzige – nach unserem Verständnis – demokratische Staatsgebilde in der Region ist? Für was legitimiert das Israel mehr als seine Nachbarn?

Der iranische „Maulheld“ ist für mich mehr als ein Maulheld. Er ist eine Gefahr. Doch darf man ihn wie Sadam „wegräumen“? War der Schah etwa besser und wer hat ihn bis zu dessen Ende gestützt?

Was der Grass gemacht hat regt mich nicht auf. Da hat ein Mann sein Arbeitsmittel genutzt, um seine Fragen zu stellen. Der ächtende Blick auf seine Vergangenheit lenkt von den Fragen ab. Oder darf jemand, der einen Unfall mit Todesfolgen verschuldet hat, nicht mehr auf heran rollende Gefahren hinweisen?

Überhaupt nicht in Frage steht mein persönliches Mitgefühl für Menschen die als Spielball der Macht persönliches Leid erfahren – unabhängig ob es sich um Juden, Palästinenser oder sonst wen auch immer handelt.

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